Sonntag, 13. Februar 2011

Reise-Impressionen

Mit anderen Menschen zu reisen ist fantastisch. Vor allem, wenn es fremde Menschen sind, die sich nur in Rudeln bewegen, gerne auch mal etwas lauter sind und ihre Mitreisenden traktieren. Es ist super, wenn man dann auch noch ihre Sprache versteht. Da freut man sich und wünscht aus tiefstem Herzen, man hätte Deutsch und Kunst auf Grundschullehramt studiert. Ich tue das zumindest. Denn mit dem Alter, so habe ich festgestellt, werde ich immer intoleranter. Zumindest in Flugzeugen. 

Alles begann in Amsterdam, es sollte nach Shanghai gehen. Wir standen in einer Schlange. Wir, das waren die auf der linken Seite, die Economy-Reisenden, rechts, das waren die Privilegierten. Mir macht es nichts aus zu warten. Ehrlich. Und wenn dann andere Leute versuchen, sich in die Business-Class-Schlange  hinein zu drängeln, obwohl eine nette Holländerin bei jedem lächelnd das Ticket kontrolliert, und jeden lächelnd zurückweist, der für das Ticket nicht mehr bezahlt hat, dann amüsiert mich das. Ich finde es auch lustig, wenn die Herren und Damen hinter mir erkennen, dass der Pass, den ich in den Händen halte, ein deutscher ist, ich aber auf gar keinen Fall eine echte Deutsche sein kann. Wegen meiner undeutschen Größe. Deutsche sind nämlich große Menschen. Franzosen, die sind schon kleiner. Eine Französin mit deutschem Pass? Das ist eine Überlegung wert. Das fanden die Menschen hinter mir zumindest. Und an dieser Stelle freute ich mich doch, Chinesisch zu verstehen.

Der Spaß macht schon weniger Freude, wenn man im Flugzeug dann feststellt, dass bereits die Passagiere von Reihe 20 ihr Gepäck in Reihe 42 verstauen.  Denn auf einen Reisenden kommen ein Handgepäckskoffer, eine Handtasche (auch bei Herren mehr und mehr verbreitet, mit modischem Handgelenksband) und mindestens fünf Plastiktüten. Auch die armen Kinder müssen schleppen! (Die schreien natürlich, weil sie das nicht wollen.) Gelobt sei Frankfurt, wo schärfer kontrolliert wird! Nie werde ich den leisen Triumph vergessen, als noch am Gate überschüssiges Handgepäck mit Zuzahlung aufgegeben werden musste. Ich weiß, dass das fies ist. ABER: Mir wäre heute fast ein chinesischer Hartschalen-Koffer, Farbe Lila, auf den Kopf geknallt, weil ich unter dem Fach saß, das noch nicht zum Bersten vollgestopft war. Ein Versuch war es wert, ihn in die Lücke zu quetschen! Wen stört schon Personenschaden? Während des Fluges selbst schlafen die meisten von denen zum Glück. Nur wenn sie sich auf die Toilette oder zur Gang-Gymnastik bewegen, so ziehen sie sich mit ihrem gan-zen Gewicht an der Kopflehne ihres Vordermannes hoch. Ich, als Vorderfrau, wurde böse, zog es aber vor, auch lieber zu schlafen, als mich aufzuregen oder mich weiter darüber zu wundern, dass die Dame neben mir tatsächlich ein Taschenbuch mit Mao-Zedong-Texten las. 

Man sollte nun meinen, dass alles überstanden ist, sobald man das Flugzeug verlassen hat. Aber, das vergisst man so häufig, alle, sie alle trifft man am Gepäckband wieder. Dort stehen sie, nicht einen, auch nicht einen halben Meter davor, um auf ihre Koffer zu lauern, nein! Die Schienbeine müssen schon an das Laufband gedrückt werden. So entsteht eine Mauer der Wartenden und die dahinter haben halt Pech, wenn sie ihr Gepäck nicht orten können beziehungsweise sich, sofern sie es haben durchblitzen sehen, zunächst durch mindestens zwei chinesische Sumo-Ringer zwängen müssen, um den Koffer vom Band zu ziehen. Das ist für mich als kleinwüchsige ‚Französin‘ eine besondere Strapaze! Es wundert mich wirklich, dass sich keiner auf das Band setzt und mitfährt. Durch das Loch, durch das die Koffer kommen und das immer mit einem flatternden Vorhang aus Plastikstreifen verhängt ist, ist heute jedenfalls ein Chinese hindurch gekrabbelt. Um mal ganz direkt nachzufragen, wo denn sei Gepäck bliebe. Wirk-lich! Ich weiß nicht, wie das ganze ausgegangen ist (hoffentlich wurde er verhaftet!). Ich weiß nur, dass seine Frau ihm, der da über das Gepäckband krackselte und in der Dunkelheit verschwand, bewundernde Blicke hinterherwarf. Und nicht, wie ich vor Fremdscham, am liebsten im Boden versunken wäre.

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