Sonntag, 13. Februar 2011

English caidan!

Es reicht. Ich habe die Nase voll - von Leuten, die sich in Sachen China, Wirtschaftswunder, gelber Gefahr und ähnlich schönen Stammtisch-Themen zu profilieren versuchen. Vor allem, wenn eben diese Menschen zu mir sagen: „Ich habe mal eine ganz spezielle Frage an dich, du studierst das doch… Was genau ist nun eigentlich Mandarin?“ Und nur für den Fall, dass einige vorhaben, jetzt mit dem Lesen aufzuhören, eines sollen sie gelernt haben - wobei ich keinen Zweifel hege, dass die Leser dieses Newsletters es nicht eigentlich schon wissen: In China essen sie keine Hunde. Zumindest nicht in dem bestialischen Umfang wie es gerne von sensationslüsternen Touristen und Austauschstudenten behauptet wird. Die meisten Chinesen, möchte ich behaupten, haben kein Interesse an Hunden. Und wenn, dann als Haustier, als Schoßhündchen, als Dekorationsobjekt. Die wenigsten werden sie gegessen haben.

Seit knapp vier Wochen studiere ich in Taipeh und bin kurz davor abzureisen. Ich habe einen Kulturschock und zwar nicht wegen der 2,6 Mio. Taiwanesen, die hier leben, sondern wegen der geschätzten zweihundert Ausländer, die mit mir studieren.

Zum ersten Mal sprachlos in meinem Leben war ich genau vor einer Woche. Ich saß mit einer Gruppe internationaler Studenten in einem italienischen Restaurant. Wo auch sonst? Denn, wie einer der Spanier, bemerkte: „Chinesisches Essen kann man nicht essen. Weißt du, es ist ganz anders und… die benutzen hier Holzstäbchen.“ Bedeutungsvolles Schweigen seiner-, Belustigung meinerseits. Dann sagte Rodriguez, genannt „Rollo“: „Nun, ich bin erst seit drei Wochen in Taipeh, aber eines fasziniert mich wirklich. Die Spuren der alten Kolonialmächte sind noch immer zu spüren.“ „Welche meinst du da genau?“, hakte ich vorsichtig nach und was dann folgte, möchte ich eigentlich nicht schreiben. „Nun ja, du weißt schon, Portugal, England… Und die Taiwanesen sehen ja, dass wir aus Europa kommen. Sie behandeln uns mit viel mehr Respekt als ihre eigenen Landsleute, die Klassenunterschiede sind noch deutlich zu spüren. Was sagst du als, ähem, Sino, Sino… China-Wissenschaftlerin dazu?“ Er strahlte. Mir fehlten die Worte.

Als ich mich über so viel Dummheit, Ignoranz, Arroganz bei einer Freundin beschwerte, sagte sie: „Weißt du, sie sind hier, weil sie BWL studieren. Es macht sich gut in ihrem Lebenslauf, du weißt schon, wegen des Wirtschaftsaufschwungs in China und so.“ Ich war gereizt und wortklauberisch, sagte: „Wir.Sind.In.Taiwan.“ – „Ja, ja, schon klar. Nur ist es eben so, dass die meisten von uns, bevor sie hierhergekommen sind, nicht einmal wussten, dass es Taiwan gibt, geschweige denn, dass es sich von  der Volksrepublik unterscheidet.“
An dieser Stelle sollte ich sagen, wer „uns“ ist. „Uns“ ist eine unerträglich große Gruppe internationaler Studenten, die BWL und International Management studieren. Für drei bis zwölf Monate sind sie hier, belegen Kurse, die in Englisch angeboten werden. Man stelle sich vor: Als Vorbereitung müssen sie englische Texte lesen. DAS ist in Spanien und Frankreich, glaubt man dieser Horde, eher unüblich. Die Amerikaner beschweren sich hingegen, dass die Professoren keine Muttersprachler sind. Wer hätte all dies vorher ahnen können?

Ohnehin lohnt es sich nicht, so auch die Meinung vieler Master-Studenten, die hier zwei Jahre sein werden, die chinesische Sprache zu lernen. Sätze wie folgende reichen vollkommen aus, um mit den Einwohnern zu kommunizieren. Hier die Top 3 der internationalen Gruppe (ich verzichte auf die Töne (Töne? Welche Töne?):
1.       Wo yao he pijiu. (Alternativ: Pijiu, pijiu!)
2.       Ni de toufa hen piaoliang. (Lustige Anekdote eines anderen Spaniers: „So hat mein Kumpel seine Freundin kennen gelernt!“)
3.       English caidan!

Ich überlege einen Verein zu gründen. Dieser Verein wird Geld sammeln, um pro Semester ein Flugzeug zu chartern, das solche Menschen außer Landes bringt. Wer möchte mitmachen?

(Erschienen im Shan-Newsletter Oktober 2010 )

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